Was war das "Jillys"?

Das Jillys war eine New Yorker Gaststätte, betrieben von Jilly (daher Jilly´s) Rizzo, der zu den Vertrauten und späteren Begleitern Sinatras gehörte.1962 kam diese Lieblingsgaststätte Sinatras dann sogar zu musikalischer Ehrung, sie wurde von Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. in dem Lied "Me And My Shadow"erwähnt ( "Before we get finished, we´ll make the town roar. We´ll wind up at Jilly´s right after Toots Shor."). Rizzo folgte Sinatra in den Westen, gab das Jilly´s auf und gründete in Palm Springs das "Jilly´s West", später entstand dann noch ein "Jilly´s South" in Miami. In Chicago wurde - wohl ohne Rizzos zutun - von Freunden Sinatras später auch ein Lokal mit dem Namen Jilly´s errichtet. Man beachte auch "Jilly loves you more than you should know" bei "Mrs. Robinson, wo Sinatra Jesus einfach durch Jilly ersetzen läßt.

Bill Zehme schreibt in seinem Werk: "Frank Sinatra - My Way oder die Kunst, einen Hut zu tragen" übers Sinatras Geflogenheiten im Jilly´s:

"Wenn ein Mann sein Lieblingslokal betritt und es sich in diesem Falle um das Jilly´s handelt, das heute nicht mehr existiert, sich aber damals an der zweiundfünfzigsten Straße, Ecke Achte Avenue befand, und wir, sagen wir mal, das Jahr 1964 schreiben,und zwar gegen zwei Uhr morgens, und sich dieser Mann auf dem Höhepunkt seiner Kräfte befindet, einer Kraft, mit der sich kein anderer Mann messen kann, weil dieser Mann Sinatra heißt, dann passiert folgendes:

Er betritt das Lokal, wie üblich von seinen Jungs flankiert, und taucht in das schummrige Licht der orangestichigen Deckenstrahler über der Bar ein. Er bleibt an der Garderobe stehen, täschelt dem Mädchen dort die Wange und meint lächelnd: "Hallo, Süße!" Und schon schmilzt sie ein wenig dahin. Damit er weitergehen kann, wird entlang der schmalen Bar ein Weg gebahnt, und er bewegt sich raschen Schrittes ganz nach hinten bis zum äußersten Ende des Raums, dessen Eingangsportal mit einer Kordel abgesperrt ist, wie das Mason-Dixon (Anm. d. Übersetzer: Staatsgrenze zwischen amerikanischen Staaten mit und ohne Sklaverei) aus rotem Samt, das die Grenze zu seinem persönlichen Allerheiligsten markiert. Bobby Cole sitzt am Piano, auf dem ein Portrait von Frank Sinatra thont, der nun beim Näherkommen Bobby leibhaftig zuzwinkert. Die Samtkordel wird von Mike geöffnet, dem irischen Oberkellner in seinem glänzenden Smoking, den Frank am liebsten Miguel nennt und den er nun in seine Arme schließt, ihn auf die Wangen küßt, um ihn dann in einem kindischen irischen Akzent zu hänseln, und ihm dabei untersagt, bei der Columbus Day Parade mitzumarschierten, wo Iren höchst unwillkommen sind. Das ewig gleichbleibende Geplänkel eben.

Jilly hat inzwischen den Tisch fertig, die lange Sitzgruppe an der Rückwand hinter dem Klavier, neben der Klimanlage, der Tür zum Kellnerservice und dem Fersehapparat. Und Franks persönlicher DStuhl steht auch schon bereit. Er ist ein abgenutzter Sessel aus Lederimitat mit hoher Rückenlehne, der weggeräumt wird, wenn er geht und wieder vorgeholt wird, wenn er kommt.

Jilly Rizzo, den Frank wirklich mag, ist ein Mann der direkten Art, mit einem Glasauge, was ihm einen flackernden Blick verleiht, und der sich dieses verworrenen Straßenjargons bedient. Zum Beispiel: "Wenn er in meinem Laden kommt, dann ist das für mich irgendwie wahnsinnig aufregend, weil, ich bin eben ein Typ, der echt schon eine Menge gesehen hat." Ein Charakter, wie von Damon Runyon ersonnnen. Frank war derjenige, der Jilly zuerst erspähte, als dieser während einer seiner Auftritte im Copa in den fünfziger Jahren auf dem Rang saß. "Wer ist der Kerl mit dem kaputten Auge in der ersten Reihe?" wollte er nach seinem Auftritt wissen. Sie wurden auf Anhieb Freunde.

Bevor Frank seinen Sitz einnimmt, marschiert er für gewöhnlich durch die Tür zum Kellnerservice und begrüßt lautstark den winzigen Koch Howard Eng, schlicht Howie genannt, dessen Hühnchen Chow Mein er liebt und dessen Akzent er verarscht. Da sich die Küche im Keller befindet, brüllt er durch den Schacht des Speiseaufzugs: "Leck mich am Alsch, Hohrie! Woraufhin Howie antwortet: "Du mich auch am Alsch lecken, Flank!" ("Jedesmal dieselbe Geschichte", erzählt Howie, der Jahre später eine Armbanduhrmit der Widmung "Du Alsch, in Liebe, Francis" am Handgelenk trug.)

Jillys unnachahmliche Version davon klingt folgendermaßen: "Wenn Frank hier reinkommt, geht er immer zur Küche runter und redet mit dem schlitzäugigen Koch. Und dann albern sie ständig rum, reden diesen Chinesen-Scheiß, Ah so, ah so", wenn sie wissen, was ich meine. Und der Chefkoch, der kichert ständig, und die albern da so rum. Dann will Frank wissen, ob sein Hühnchen Chow Mein endlich fertig ist, und der Koch, der sagt dann, "Zwei Minuten! Zwei Minuten!" Er ist die ganze Portion von unserem Chow Mein mit den weichen Nudeln auf, und dabei ist er nicht einer von den Typen, die Abends soviel essen, und das ist natürlich für mich klasse. Ich könnte echt nicht soviel verdrücken."

Frank nennt seinen Kellner, der eigentlich Joe heißt und ein rotes Jackett und eine Brille trägt, einfach nur Brille. Und nur Brille, und kein anderer als Brille, serviert die Drinks und das Chow Mein, das Frank für alle an seinem Tisch bestellt Dazu gehören zum Beispiel Jill St. John oder Tony Bennett, Judy Garland und seine Exfrau Nancy, Dean Martin oder Sammy Davis jr,. seine Tochter Nancy oder wer sonst noch gerade von seinen Freunden in der Stadt ist. Von seinem Privatstuhl aus betrachtet es dich beträchtlichen Aktivitäten im Raum und hinter der langen, dunklen Bar. "Irgendwie gefiel es ihm, einfach so in den Raum zu starren", meint Jilly. Und Franks Bilanz an einem ganz normalen Abend lautete: "Herr im Himmel, allein an der Bar halten sich ungefähr dreiundvierzig Personen auf, die mit dem Gesetz auf Kriegsfuß stehen!" In seiner Gegenwart heizt sich die Stimmung im Raum auf: Die Menschen werden lauter, geselliger, vielleicht, weil sie um seine Anerkennung buhlen. "Fünf Minuten, nachdem er den Laden betretn hat, kannst du´s vergessen - dann geht´s hier zu wie bei einer Silvesterparty", erklärte Mike, der Ire dem Esquire. Und die Normalsterblichen schleichen sich an die Kordel ran und starren zu ihm nach hinten und manchmal winkt er ein paar von ihnen durch, schüttelt ihnen die Hand und lächelt, um dann seine Unterhaltung weiterzuführen und die neusten Witze zu erzählen, die er aufgeschnappt hat.

Genau an einem solchem Abend, als er gerade Hof hielt, erwischten ihn die CBS-Nachrichten voll in Aktion: Er trug einen dunklen Anzug, und er lockerte nicht einmal seine Krawatte oder öffnete gar einen Hemdknopf - etwas wozu er sich in der Öffentlichkeit niemals hinreißen ließ. Wohl ein Dutzend Leute hingen an seinen Lippen und kamen durch seine Worte ziehmlich in Schwung und er lachte eine Menge und erhob sich ständig von seinem Stuhl, um seine Geschichten lebhaft auszumahlen und Freunde zu begrüßen. Aber Kameras an diesem Ort wurden als ein unerhörter Einbruch in die Privatsphäre angesehen, und auch Fotographen waren in dieser Hinsicht schlecht beraten. "Wer klug genug war, der unterließ es, Fotos von ihm im Jilly´s zu schießen", meint einer von Sinatras engen Vertrauten. "Das wäre keine gute Idee. Seine Privatsphäre mußte man respektieren. Die Zusammensetzung der Gäste im Club repräsentierte einen Querschnitt durch die Gesellschaft. Man konnte Van Cliburn und Robert Merill zusammen an einem Tisch antreffen, an einem anderen einen Senator, einen Richter und einen Kongreßabgeordneten. An einem weiteren saß vielleicht der Herzchirug Dr. Michael DeBakey, und ihm gegenüber hatten sich zwanzig aus der Abteilung 'Gutes Benehmen' niedergelassen. Und schräg gegenüber von denen saßen zum Beispiel drei berufstätige junge Frauen."

Wahrscheinlich kamen sie alle einzig und allein seinetwegen hierher. Es war Franks Treffpunkt, das Lokal, in das man einfach gehen mußte, und er wußte das. Und auch er kam nur hierher, um da zu sein, einfach nur er selbst zu sein und zu entspannen. Und je nach Lust und Laune kam er eben dann, wann er wollte, egal zu welcher Uhrzeit. Eines nachts, so geht die Sage, machte er keinen sonderlich glücklichen Eindruck, als er um Mitternacht auftauchte, und seine nervliche Anspannung war im Raum förmlich zu spüren. Mit einem Mal wurde es ganz still im Raum, als er gemessenen Schrittes nach hinten ging, wo zufällig Johnny Carson und Ed McMahon am Nebentisch saßen. Carson, der sich immer dann bestens amüsierte, wenn alles ehrfurchtsvoll schwieg, sah zuerst zu Sinatra, dann auf seine Armbanduhr und meinte: "Frank, hab ich dir nicht gesagt um halb eins!" Und in diesem Moment - wobei die Schilderungen dieses Ereignisses beträchtlich variieren - ließ sich entweder Frank lachend auf dem Boden fallen, oder aber Ed packte Johnny am Kragen und drängelte ihn aus dem Lokal, um ihn in Sicherheit zu bringen."

© Marcus Prost – mit freundlicher Genehmigung für Frank Sinatra – The Main Event, 2007

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