Nelson Riddle
Der Arrangeur und Orchesterleiter Nelson Smock Riddle wurde am 01.Juni 1921 in Oradell, New Jersey, geboren.
Er nahm früh Posaunenunterricht und liess sich von dem bekannten Arrangeur Bill Finnegan, der später für so berühmte Bands wie Glenn Miller und Tommy Dorsey arrangierte, in die Kunst des Komponierens und Arrangierens einweisen.
1939 bekam Riddle sein erstes Engagement als Posaunist und Arrangeneur bei der Band des Klarinettisten Tommy Reynolds, der im Stil von Artie Shaw spielte. Den ersten nachhaltigeren Eindruck hinterliess er im Orchester des Trompeters Charlie Spivak. Hier experimentierte er bereits ständig mit neuen Instrumentierungsmöglichkeiten, die ihm später von grossem Nutzen sein sollten. Während des Krieges spielte und arrangierte er für die Band der Handelsmarine und entdeckte seine Vorliebe für Streicher. So wurde er 1944 der Arrangeur für die langsamen, streicherbetonten Stücke der Band von Tommy Dorsey; zu einem Zeitpunkt, als Sinatra die Band bereits verlassen hatte.
Schliesslich ging Riddle zur Westküste und nahm bei dem italienischen Komponisten und Lehrer Mario Caselnuovo-Tedesco Unterricht in der Orchestrierung von Streichern.
Er hatte schnell in den betriebsamen Aufnahmestudios von Los Angeles Fuss gefasst und kam 1950 zu der noch jungen Plattenfirma Capitol.
Zunächst allerdings erschien sein Name nicht auf den Plattencovern so berühmter Hits wie „Mona Lisa“ und „Too Young“, die für Nat King Cole den Durchbruch vom Pianisten zum Sänger bedeuteten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Riddle diese Nummern als Ghostwriter arrangierte.
Nichtsdestotrotz wurde Cole auf Riddle aufmerksam und so wurde dieser ab August 1951 für zehn Jahre dessen offizieller musikalischer Leiter und arrangierte hernach auch für andere Künstler des Labels wie Ella Mae Morse, Mel Tormé, Kate Smith, Dinah Shore, Judy Garland, Peggy Lee, Jerry Lewis und vielen vielen anderen. Seine erste Begegnung mit Sinatra im Aufnahmestudio datiert auf den 30.04.1953. Sinatra war von den Capitol-Managern auf Riddle aufmerksam gemacht worden, weil sie eine musikalische Veränderung bei ihrem neuen Sänger erreichen wollten.
Es entstand an diesem Tag u.a. das legendäre „I’ve Got The World On A String“, das Sinatra bis zu seinem Karriereende bei seinen Konzerten singen sollte und es war der Anfang ihrer glorreichen Zusammenarbeit über drei Jahrzehnte. Beide trieben sich fortwährend gegenseitig zu Höchstleistungen an und befruchteten ihre Karrieren gegenseitig. Sinatra entwickelte seinen reiferen, swingenderen Sound, der sich von dem weichen, etwas schmalzigem der Columbia-Zeit fundamental unterschied. Riddle fand gerade in der Arbeit mit FS seinen eigenen charakteristischen Stil, dessen Kennzeichen eindeutig die Leichtigkeit war, die er selbst bei einer grossen Besetzung herüberbringt. So wirkt die gewichtigste Ballade bei ihm nie unnatürlich sentimental, die schnellste swingendende Nummer nie unnatürlich forciert. Wie kein zweiter Arrangeur war er in der Lage, auf den verschiedenen Konzept-Alben Sinatras stilistisch so unterschiedliche musikalische Welten für seinen Sänger zu schaffen.
Sinatras Partnerschaft mit Riddle kann ohne Übertreibung vielleicht als die legendärste der Pop-Geschichte bezeichnet werden. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden Alben wie „Songs For Swingin Lovers“(1956), „A Swingin‘ Affair“ (1956) oder „Only The Lonely“ (1958), die man getrost als absolute Klassiker des Pop-Zeitalters bezeichnen kann. Songs wie „I’ve Got You Under My Skin“, „The Lady Is A Tramp“, „Angel Eyes“ oder „Only The Lonely“ aus diesen Produktionen sind Meilensteine in Sinatras Karriere und in seinen Konzerten immer wieder von ihm dargeboten worden.
Ebenso arrangierte Riddle für die damaligen höchst erfolgreichen Musikfilme Sinatras, wie „Young At Heart“, „High Society“, „Pal Joey“ oder „Can Can“.
Im Fernsehen leitete er über viele Jahre die Shows von Sinatra, Nat King Cole oder Rosemary Clooney, um nur die spektakulärsten und wichtigsten zu nennen.
Der Name Nelson Riddle als Arrangeur und Dirigent auf einem Cover ist zweifellos so etwas wie ein Gütezeichen. In der Branche spricht man vom „Riddle touch“, wenn man die unverwechselbare Behandlung einer Melodie durch ein grosses Orchester meint. Seine Fähigkeiten brachten ihm viele Preise und Auszeichnungen ein. So wurde er 1958 „Bester Arrangeur des Films“ genannt, ein Preis, der nur von den 1500 Musikern verliehen wurde, die damals in den Studios von Hollywood arbeiteten. 1974 bekam er für die Musik zum Film „The Great Gatsby“ einen Oscar.
Einen finanziellen warmen Regen erntete Riddle zum Ende seiner Karriere, als die Popsängerin Linda Ronstadt ihn für die Produktion ihres Albums „What’s New“ (1983) aussuchte. Obwohl von vielen Experten nicht gerade als ein Highlight seines musikalischen Schaffens bezeichnet, war der Erfolg riesig, so dass zwei Nachfolgealben entstanden, was dem vielleicht wichtigstem Arrangeur Amerikas endlich den längst überfälligen Grammy einbrachte.
© Tim Bialek für Frank Sinatra – The Main Event, 2001