Sinatra Sings For Only The Lonely
Sinatra Sings for Only the Lonely
Veröffentlichung: September 1958
Label: Capitol
Produzent: Dave Cavanaugh
1. Only the lonely
2. Angel eyes
3. What's new
4. It's a lonesome old town
5. Willow weep for me
6. Goodbye
7. Blues in the night
8. Guess I'll hang my tears out to dry
9. Ebb tide
10. Spring is here
11. Gone with the wind
12. One for my baby
13. Sleep warm
14. Where or when
Only the lonely
Review von Jan Lachmann
Im Mai und Juni des Jahres 1958 arbeiteten Sinatra und der Arrangeur Nelson Riddle an einem Konzept-Album, welches ganz sicher das größte von Torch-Songs getragene Werk darstellt, das er je aufgenommen hat. Wahrscheinlich ist es sogar das beeindruckendste Album Sinatras überhaupt geworden: Sinatra Sings for Only the Lonely
Ein dichter Streicherteppich...darüber eine an Chopin gemahnende Klaviereinlage...Schon die ersten Töne des Eröffnungstitels „Only the Lonely“ von Sammy Cahn und Jimmy Van Heusen machen es deutlich: Dieses Album wird keine leichte Kost sein, man wird zuhören müssen, um es zu verstehen, um es in sich aufzunehmen.
Diese Platte eignet nicht zum „eben mal anhören“.
Es ist ein Kunstwerk. Ein Kunstwerk der populären Musik.
Anleihen an die europäische Klassik findet man nicht nur am Anfang, alle Titel sind über und über mit verschnörkelten musikalischen Ornamenten versehen, bezeichnend Riddles Kunstgriff, am Anfang von „Ebb Tide“ auf Claude Debussys „La Mer“ zurückzugreifen, um die Brandung der Wellen in Noten umzusetzen. Gegensätze prallen aufeinander, wie in „It´s a Lonesome Old Town“, wo in der Einleitung die warme Posaune gegen eine Streichergruppe anspielt, die eine Kälte wie von klirrendem Eis ausstrahlt. Eine geradezu geniale musikalische Umsetzung der Darstellung einer einsamen Person in einer feindlichen, leeren Umwelt, die dem Vortragendem nicht einen Hauch von Liebe anzubieten hat. Pure Einsamkeit. Eine unendliche erscheinende Einleitung zu „What´s New“, die unsagbar traurig klingende Posaune von Ray Sims. Purer Nihilismus. Der intime Realismus von Sinatras Gesang auf „One for My Baby“, begleitet von einem einmaligen Bill Miller, untermalt von einem nahezu unhörbaren Streicherteppich. Die Traurigkeit des selbstmitleidigen, frühmorgendlichen Barbesuchers in „Angel Eyes“.
Sinatra und Riddle schaffen es in kongenialer Zusammenarbeit, jedem einzelnen Song eine so bedrückende Düsternis zu verleihen, dass man sich willenlos dem verlorenen und allein-gelassenem Ego der einzelnen Titel hingibt.
Riddles Arrangements glänzen durch höchstes Niveau. Er bedient sich Rubato-Rhythmen, unzähligen erhöhten und verminderten Akkorden (besonders in „Willow Weep for Me“, obwohl dieses nicht Moll notiert ist), er ließ sich bei den Arrangements von „Blues in the Night“ und „It´s a Lonesome Old Town“ von Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ inspirieren, wobei auch die bereits erwähnte Geistesnähe zu Chopin und Debussy nicht zu vergessen ist.
Sinatra war bei den Aufnahmen ausnehmend gut bei Stimme, sein Timbre erinnert nicht selten an einen Suizid-Gefährdeten...Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, daß Kritiker dieses Album auch immer wieder gerne als „Selbstmord-Album“ deklarieren. Die verstörende Art, mit der er die Textzeilen „maybe it´s because nobody needs / loves me“ in „Spring is here“ intoniert, sind in diesem Kontext sicherlich bezeichnend. Er offeriert uns hier einen unheimlichen Realismus, ebenso in den beiden „Kneipenballaden“ „One for My Baby“ und „Angel Eyes“, wo nicht nur sein gesangliches, sondern auch sein schauspielerisches Talent zur Geltung kommt. Man kann das von seiner Freundin / Frau verlassene lyrische Ich direkt vor sich sehen, „ in a small bar, in the wee hours of the morning“.
Anmerkungen zu den Sessions:
Mindestens sieben der zwölf Titel wurden bei der Aufnahme nicht von Riddle selbst, sondern von Sinatras damaligen erstem Geiger, Felix Slatkin, dirigiert. Sinatra war sich wohl der beschränkten Fähigkeiten Riddles beim Dirigieren bewusst und griff daher, im Hinblick auf die Schwierigkeit des Materials, auf den in diesem Bereich sehr versierten Slatkin zurück. Da dieser in seiner Funktion als Dirigent aber nicht auf dem Album-Cover erwähnt wurde, fühlte sich Sinatra veranlasst, die ebenfalls während dieser Sessions aufgenommene Single „Monique“, mit dem Vermerk „With Felix Slatkin & His Orchestra“ zu veröffentlichen.
Es war geplant, auch eine Version von Billy Strayhorns „Lush Life“ aufzunehmen, diese wurde jedoch leider verworfen, da Sinatra mit dem sehr schweren Song anscheinend nicht richtig zurechtkam, bzw. ihn nicht richtig gelernt hatte. Meines Wissens existiert nur ein unvollständiger Take von dieser Aufnahme. Schade!
Die Songs:
ONLY THE LONELY (S. Cahn / J. Van Heusen) 29.05.58
ANGEL EYES (M. Dennis / E. Brent) 29.05.58
WHAT´S NEW ? (B. Haggart / J. Burke) 24.06.58
IT´S A LONESOME OLD TOWN (H. Tobias / C. Kisco) 25.05.58
WILLOW WEEP FOR ME (A. Ronell) 29.05.58
GOOD-BYE (G. Jenkins) 25.06.58
BLUES IN THE NIGHT (H. Arlen / J. Mercer) 24.06.58
GUESS I´LL HANG MY TEARS OUT TO DRY (S. Cahn / J. Styne) 29.05.58
EBB TIDE (R. Maxwell / C. Sigman) 29.05.58
SPRING IS HERE (R.Rodgers / L. Hart) 29.05.58
GONE WITH THE WIND (A. Wrubel / H. Magidson) 24.06.58
ONE FOR MY BABY (H. Arlen / J. Mercer) 25.06.58
Plazierung:
Nummer 1 für 5 Wochen in den Billboard Pop Album Charts
Auszeichnungen:
Grammy Award:
Frank Sinatra, Art Director : Best Album Cover
Quellen: Will Friedwald :
Frank Sinatra – Ein Mann und seine Musik
Liner Notes der CD „ FS Sings for Only the Lonely“
Written by Jan Lachmann für “Sinatra - The Main Event”