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Gentle On My Mind

Titel

Gentle On My Mind

Text & Musik

John Hartford

Main Event Infos

  • Geschichte
  • Übersetzung
  • Diskographie

I.

„Gentle On My Mind“ gehört nicht nur in den USA zu den bis heute bekanntesten Country-Songs, aber zwei US-amerikanische Folkmusiker und Country & Western-Sänger sind es, deren Namen vor allem mit seiner Entstehung und seinem Erfolg verbunden sind: John Hartford (1937-2001) und Glen Campbell (*1936).

John Hartford hieß eigentlich John Cowan Harford (!) und stammte aus New York City, war aber in St. Louis am Mississippi aufgewachsen und hatte dort schon als Teenager damit begonnen, auf der Gitarre, der Violine und dem Banjo in verschiedenen Folk-Ensembles zu musizieren. 1965 zog es ihn dann in die Musikmetropole Nashville (US-Bundesstaat Tennessee), wo er sich zunächst als Radiomoderator verdingte und zugleich versuchte, mit selbstgeschriebenen Liedern Geld zu verdienen. Rasch wurden die Plattenbosse auf sein Talent aufmerksam, und bereits 1966 erhielt er einen Vertrag beim renomierten Label RCA. Aus diesem Anlaß änderte er seinen Namen in John Hartford.

Im Juli 1967 erschien bei RCA sein zweites Album „Earthwords and Music“, und zu den von ihm dafür selbst komponierten und getexteten Liedern gehörte auch „Gentle On My Mind“. Die Idee für dieses Lied, so bekannte Hartford später, sei ihm nach einem Kinobesuch gekommen, bei dem er sich „Doktor Schiwago“ angesehen habe: Die melancholische Stimmung des Films habe ihn dermaßen inspiriert, daß er das neue Lied in einer knappen Viertelstunde zu Papier gebracht habe.

In den Charts schlug sich das Album nur mäßig erfolgreich (gelangte bis auf Rang 60),. doch sollte „Gentle On My Mind“ ein Welterfolg werden. „Schuld“ daran waren das Radio, wo Hartfords Aufnahme im Sommer 1967 sehr häufig gespielt wurde, und Glen Campbell.

Der aus dem US-Bundesstaat Arkansas stammende Gitarrist war 1961 nach Los Angeles gekommen und dort rasch zu einem gefragten Studiomusiker avanciert; er begleitete unter anderem Elvis Presley und Dean Martin – und auch Frank Sinatra verpflichtete ihn mehrmals: So ist Campbell an der Gitarre etwa auf Sinatras Einspielungen der Welthits „Strangers In The Night“ (1966) und „Somethin’ Stupid“ (1967) zu hören. Daneben war er 1964/65 ein Jahr lang (als Ersatz für Brian Wilson) bei der legendären Popgruppe „The Beach Boys“ eingesprungen.

Von Hartfords neuem Song war Campbell, als er ihn im Radio erstmals hörte, so begeistert, daß er noch im Sommer 1967 eine eigene Fassung einspielte und gleich ein ganzes Album danach benannte, das im Herbst bei Capitol Records herauskam. Die Single-Auskoppelung von „Gentle On My Mind“ gelangte zunächst nur bis auf Rang 30 in den Billboard-Charts – im Jahr darauf jedoch, als Campbell mit weiteren neuen Alben und Interpretationen (vor allem mit Jimmy Webbs „By The Time I Get To Phoenix“) Erfolge feierte, schoß auch „Gentle On My Mind“ erneut in die Charts, gelangte in der Country-Hitparade bis auf Platz 1 und in den Billboard-Charts auf Rang 2 und wurde zu einem der meistgespielten Lieder des Jahres.

Dementsprechend gab es bei den nächsten Grammy-Awards gleich vier Preise: John Hartford gewann zwei Grammys (für seine eigene Aufnahme als Beste Folksong-Darbietung und als Komponist des Besten Country & Western-Songs), zwei weitere Grammys gingen an Glen Campbell (für seine Capitol-Aufnahme als Beste männliche Gesangsdarbietung im Country&Western-Bereich und als Bestproduzierte Country&Western-Studioaufnahme).

Für Campbell bedeutete „Gentle On My Mind“ seinen Durchbruch als Sänger, und das Stück wurde so etwas wie seine Erkennungsmelodie, die ihn auch während seiner erfolgreichen eigenen Fernsehshow „The Glen Campbell Goodtime Hour“ (1969-1972) begleitete, in der John Hartford mehrfach zu Gast war. Der Einspielung von 1967 ließ Campbell viele weitere neue Studio- und Liveaufnahmen folgen, und das Stück blieb, wie viele andere seiner späteren Hits, bis heute in seinem Repertoire. (Weitere Infos auf Campbells offizieller Website: http://www.glencampbellshow.com)

Hartford genoß den Erfolg auf seine Weise, da ihm das Stück soviele Tantiemen einbrachte, daß er allein davon leben und sich einen persönlichen Traum erfüllen konnte: Er gönnte sich ab 1972 eine mehrjährige Auszeit vom Musikbusiness, erwarb ein Kapitänspatent als Binnenschiffer und steuerte viele Male seinen eigenen traditionellen Mississippi-Dampfer den Fluß hinunter, um abends die Gäste an Bord mit einer Ein-Mann-Show traditioneller amerikanischer Folkmusik zu unterhalten. In dieser Sparte machte er auch noch in den 80er Jahren neue Aufnahmen, erkrankte dann aber an Lymphdrüsenkrebs, dem er nach langem Siechtum schließlich 2001 erlag. (Mehr Infos zu Hartford gibt’s auf der schönen offiziellen Website http://www.johnhartford.com)

II.

Der große Erfolg von „Gentle On My Mind“, insbesondere in der Fassung von Campbell, inspirierte schon Ende der Sechziger Jahre mehrere Dutzend Cover-Versionen anderer Künstler über die Musiksparten hinweg: Patti Page (*1927), 1951 mit „Tennessee Waltz“ bekannt geworden, veröffentlichte 1968 bei Columbia ein ebenfalls „Gentle On My Mind“ betiteltes Album und kam damit in die Top-100; 1969 gelang Aretha Franklin mit ihrer Fassung auf dem Album „Soul 69“ (Atlantic/Rhino) dasselbe. Die Reihe weiterer Interpreten der späten 60er reicht von Ray Conniff über Trini Lopez, Paul Anka, Elvis Presley, Billy Eckstine und Andy Williams bis zu Enterprise-„Spock“ Leonard Nimoy; insgesamt sind bis heute knapp 300 Fassungen entstanden.

Besonders hervorgehoben werden muß an dieser Stelle natürlich Dean Martin, der am 27. Juni 1968 seine eigene Fassung von „Gentle On My Mind“ einspielte, die Ende des Jahres auf dem gleichnamigen Reprise-Album und als Single-Auskoppelung herauskam. Deans Interpretation war besonders in Europa außerordentlich erfolgreich und kletterte in den britischen Charts 1969 bis auf Platz 2. Noch in den 80er Jahren war „Gentle On My Mind“ in seinem Repertoire zu finden.

Und Dean Martins Country & Western-Projekt war es, das schließlich 1968 auch Frank Sinatra veranlaßte, bei Reprise selbst ein solches Album in Angriff zu nehmen, nachdem sich eine erste Single dieser Art („Cycles/My Way Of Life“, erschienen im Spätsommer 1968) recht erfolgreich geschlagen hatte. Im November 1968 nahm Sinatra in den Studios von Western Recorders in Hollywood acht weitere Songs auf, darunter zwei Hits von Glen Campbell (die beide auch Deans Album vertreten waren): „By The Time I Get To Phoenix“ und eben „Gentle On My Mind“. Bereits Ende November kam das Album „Cycles“ auf den Markt, gelangte Ende Dezember in die Billboard-Charts und kletterte dort innerhalb von 28 Wochen bis auf Platz 18.

Für seine Interpretation von „Gentle On My Mind“ nahm Sinatra an einigen Stellen kleine Veränderungen an Campbells Text vor und ließ eine Strophe ganz weg (Dean Martin hingegen hatte den unveränderten Originaltext gesungen), folgte ansonsten aber ganz dem Aufbau von Campbells Aufnahme, begleitet von drei Gitarristen (unter ihnen Al Viola), bis zum langsamer gehaltenen, streicherbetonten Schluß. Das Arrangement steuerte Don Costa (1925-1983) bei, mit dem Sinatra seit 1961 bereits mehrfach zusammengearbeitet hatte und der nun durch dieses Album Sinatras Hausarrangeur speziell für „neues“ Material wurde. Die Orchesterleitung im Studio hingegen übernahm Sinatras alter Weggefährte Bill Miller (1915-2006).

Nach dieser Studioaufnahme hat Sinatra das Stück nie wieder gesungen, sicher auch unter dem Eindruck des großen Erfolges, den sein Freund Dean Martin damit feiern konnte. So bleibt die eine Einspielung (das Schlußlied des Albums) seine einzige Beschäftigung mit Hartfords Lied, dessen „Schiwago-Melancholie“ er vielleicht ein wenig mehr einfließen ließ als Dean Martin. Der Vergleich beider Versionen, im Abstand weniger Monate entstanden, ist sicher auch heute noch reizvoll.

Gentle on my mind

Man weiß ja, deine Tür ist immer offen
Und der Weg zu dir ist frei;
Deswegen bleibt mein Schlafsack aufgerollt
Gelagert hinter deiner Couch.
Man weiß auch, bin nicht gefesselt
Durch Versprechen alt und schwach
Und ‚nen Tintenklecks auf einem Stück Papier.
So bleibst du weiter hinten
Im Strom meiner Erinn’rung,
bleibst immer zart und sanft in meinem Sinn.


Ich häng’ nicht fest wie Efeuranken, die sich
Schlingen um Statuen aus Gestein
Und auch nicht daran, dass jemand meinte,
dass unser Weg gemeinsam weiterführt.
Die Welt wird’s nicht verdammen
Noch wird sie mir verzeih’n,
wenn ich geh’ entlang den Schienen und bemerk’,
dass du hinten wieder auftauchst
im Strom meiner Erinn’rung,
und viele Stunden hängt mein Herz an Dir.

Mögen Felder, Wäscheleinen
Und Schrottplätze, lange Straßen zwischen uns sein,
andre Frauen sich beklagen bei den Müttern,
denn auf einmal war ich weg:
Ich zieh’ umher in Stille,
Freudentränen im Gesicht,
die Sommersonne brennt mein Auge blind,
doch nur so weit, dass ich dich stets
in meinem Geist vor mir seh’:
du bleibst mir immer liebevoll im Sinn.

Ich hol’ mir meine Suppe aus ‚nem großen heißen Kessel
Man weiß ja, Deine Tür ist immer offen
und der Weg zu Dir ist frei;
deswegen bleibt mein Schlafsack aufgerollt
gelagert hinter deiner Couch.

Man weiß auch, bin nicht gefesselt
durch Versprechen alt und schwach,
’nen Tintenklecks auf einem Stück Papier,
so bleibst du weiter hinten im Strom meiner Erinn’rung,
bleibst immer zart und sanft in meinem Sinn.

Weizenfelder, Wäscheleinen, Schrottplatz,
mancher Highway mag uns trennen,
'ne and're Frau, die sich beklagt bei Mama,
denn auf einmal war ich fort.

Noch zieh’ ich rum in Stille, Freudentränen im Gesicht,
die Sommersonne brennt mein Auge blind,
doch nie so weit, dass ich Dich nicht mehr seh’n kann weiter hinten
im Strom, der zart und sanft in meinem Sinn.

Ich hol’ mir meine Suppe aus ’nem kochendheißen Kessel
hinter’m Bahnhof,
mein Bart zerzaust und schmutzig,
und ein dreckig’ Hut hängt tief mir im Gesicht.

Die Hände um den Becher, tu ich so,
als herzt’ ich Dich, und fühl’,
daß Du mir winkst von weiter hinten aus dem Strom meiner Erinn’rung,
immer lächelnd, zart und sanft in meinem Sinn.

Ich zieh’ noch umher in Stille, Freudentränen im Gesicht,
und die Sommersonne brennt meine Auge blind,
doch nie so weit, dass ich Dich nicht mehr seh’n kann weiter hinten,
im Strom, der zart und sanft in meinem Sinn.

Übersetzung © Uwe Domnick; Ergänzungen Bernhard Vogel für Sinatra - The Main Event, 2007



REPRISE-Studioaufnahme vom 12.11.1967
aufgenommen in Hollywood, Western Recorders Studio
Arrangement: Don Costa
Orchester geleitet von Bill Miller:
Israel Baker, Harry Bluestone, Jacques Gasselin, Lou Raderman, Mischa Russell, James Getzoff, Bernard Kundel, Marshall Sosson, Joe Stepansky, Gerald Vinci (Violine); Paul Robyn, Virginia Majewski, Alex Neiman, Barbara Simons (Bratsche); Edwin Beach, Armand Kaproff, Nino Rosso, Justin DiTullio (Cello); Kathryn Julye (Harfe); Pete Jolly (Klavier); Al Viola, Bill Pitman, David Cohen (Gitarre); Chuck Berghofer (Baß); Irving Cottler (Schlagzeug); Gary Coleman, Kenneth Watson (Percussion)
Erstveröffentlichung-Album/LP/CD: Cycles (Reprise) (zuerst erschienen November 1968)
LP: Greatest Hits – Volume II (=FS 1032, Reprise) (erschienen 1970, nur außerhalb der USA)
CD: The Complete Reprise Studio Recordings (20-CD-Set, Reprise) CD 13 (erschienen November 1995)

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