57 in Concert

Review

Mein Lieblingskonzert: Sinatra live 57

Live - Aufnahmen können sich als wahre Schätze herausstellen, und diese Tatsache ist unter Musikliebhabern nur allzu gut bekannt. Das Konzert, auf das ich in diesem Artikel näher eingehen möchte, ist ohne Zweifel so herausragend, dass es sicherlich unter diese Kategorie fällt und, auch wenn es übertrieben klingen sollte, als ein „Goldschatz der Musikgeschichte“ angesehen werden kann.

So wertvoll wie zahlreiche Live – Aufnahmen sein können, sind sie häufig auch als ein zweischneidiges Schwert zu betrachten: Entweder leidet die Aufnahme unter der schlechten Aufnahmequalität oder der Sänger, das Orchestra oder vielleicht sogar das gesamte Abendprogramm, lassen zu wünschen übrig.

Bei der CD „Sinatra live 57“ trifft mit Sicherheit keiner dieser Punkte zu. Es ist also nicht überraschend, dass gerade diese CD von Steve Hoffman produziert wurde. Sinatra verlieh allen Liedern mit seiner Stimme einen wunderbaren, satten Sound. Diese CD kann als ein wahres Meisterstück von diesem großartigen Sänger betrachtet werden; kein Sänger, der mir bekannt ist, wäre imstande, dieselbe hervorragende Leistung wie Sinatra zu erbringen.
Das am 9. Juni 1957 in Seattle aufgenommene Konzert zeigt uns einen ausgelassenen und gutgelaunten Sinatra auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Darüber hinaus wird Sinatra mit einer erstklassigen Big Band unter der Leitung von Nelson Riddle unterstützt.

Begeben wir uns einmal auf eine Zeitreise in das Jahr 1957. Es war eine Zeit, in der es den Menschen wieder besser ging, aufgrund der steigenden Produktion und des daraus resultierenden wirtschaftlichen Aufschwungs.

In diesem Jahr war Sinatra in mehreren erfolgreichen Filmen wie „Young at heart“ und „The man with the golden arm“ zu sehen und hat durch seine Alben (z. B. „Where are you“ oder „Songs for Swingin lovers“) Meilensteine der Musikgeschichte geschaffen. Zur gleichen Zeit moderierte er sogar eine eigene TV Show mit dem Namen „Chesterfield Show“, welche jedoch nach einem Jahr wieder eingestellt wurde. Sinatra war also in dieser Zeit ein sehr beschäftigter Mann, der viel um die Welt reiste. Umso beachtlicher ist es, dass es ihm dabei noch möglich war, in Konzerten aufzutreten. Im Rahmen einer kleinen Tour an der Westküste trat Sinatra in Seattle auf. Der Dank für die technische Meisterleistung gilt dem Toningenieur Wally Heider, denn ihm ist es zu verdanken, dass jedes einzelne Instrument gehört werden kann, ja sogar das Fußklopfen von Sinatra bei dem Lied „At long last love“. Wir Sinatrafans haben ihm also in der Hinsicht viel zu verdanken.

Das Konzert beginnt mit der Swingnummer „You make me feel so young“, das Frank Sinatra mit einer unglaublichen Leichtigkeit singt, wie man es auch von seinen Plattenaufnahmen kennt. Das Arrangement passt sich mit swingenden Bläsersätzen seiner Stimme und den gewohnt dezenten Einlagen von Bill Miller an.

Leicht mexikanisches Flair ist bei dem Stück „It happened in Monterey“ zu bemerken, das Sinatra entspannter als auf dem Album „Songs for swingin lovers“ singt. Bei diesem Konzert „spielt“ er sozusagen mit dem Text, und sein Gefallen darüber, dieses Lied zu singen, ist ihm deutlich anzumerken.

Der Klassiker „At long last love“ von Cole Porter, darf natürlich auch bei diesem Konzert nicht fehlen. Es beginnt mit einer herrlich swingenden Klavierüberleitung von Bill Miller. Auch werden einzelne Worte mit kräftigen Bläsersätzen von dem Nelson Riddle Orchestra untermalt, das war sicherlich auch ein Grund für den großen Erfolg seiner Lieder. Das schöne Stück „I get a kick out of you“ singt hier Sinatra sehr ausgelassen mit typischen Sinatrarismen ( „Case? Let´s buy one „ Spain? Oh Jesus). Diese Spielchen mit dem Text und kleinen Einlagen machen auch die „Faszination Sinatra“ aus, es klingt sehr locker und entspannt und bereitet eine besondere Freude, ihm zuzuhören.

Der durchschnittliche Jazzsong: „Just one of those things“ wird wiederum von swingenden Bläsersätzen unterstützt, dabei schnippt Sinatra im Takt mit. Diese Version ist gleichzeitig einer der „jazzigsten“ Interpretationen von FS, denn er zeigt eine vollkommen neue Interpretation des Textes und reagiert auf die Einlage jedes einzelnen Instruments. Gewiss hat er ein umwerfendes Rhythmusgefühl.

Ein wunderschönes Arrangement rahmt den Song „A foggy day“ mit einer kleinen Begleitung und dezenten Streichern ein. In der Mitte des Liedes wird FS nur von Bill Miller begleitet, der eine wunderschöne jazzige Überleitung zu den Streichern spielt. Am Ende macht sich Sinatra sogar über die allgemein als bieder bekannten Engländer lustig „An Englishmen is happy when he `s fighting for the Queen“. Diesen Witz brachte er auch in späteren Jahren sehr oft bei dem Lied. Einer der ersten Fassungen von „The Lady is a tramp“ aus dem Film „Pal Joey“ kann man hier hören. Zu Beginn lässt Sinatra verkünden: „Who are all these people and what do they want here“, dieser Spruch wurde später zu Rat Pack Zeiten zu „How did all these people get in my room“ verändert.

Wiederum eine wunderbarer Song der sich langsam steigert, bei der FS auch erneut herrlich mit dem Text spielt. Eine schöne Überleitung zu den Swinger „I won´t dance“ bildet They can take that away from me“, den Sinatra hier als leichten Swinger singt. Das Swingstück „I won´t dance“ rundert das erste Set mit einem kräftigen swingenden Arrangment von Nelson Riddle ab. Hier singt FS auch anstatt der Zeile „lovely“ „a Ring ding dinger“ und „A real gasser“, also keine jugendfreie Zeile! Dieser Chart hat hier wesentlich mehr Pepp als die Studioversion von Capitol. In seinem Bühnenmonolog macht Sinatra die üblichen Scherze über Joey E. Lewis und Jack Daniels. Nach der „Teepause“ singt FS wunderschöne Balladen.

Den Auftakt macht eine Ballade die Billie Holiday unsterblich werden ließ: „When your lover has gone“, die Sinatra hier mit einiger lyrischer Schärfe darbietet wie es wohl keinem anderen Sänger gelingt. Im Anschluss daran erklingt das wunderschöne „Violets for you furs“ , dieses Lied wird mit einem schönen Streicherarrangement eingeführt. Mit diesem traumhaften Song entführt uns FS in das winterliche New York, eine wunderschön romantische Darbietung. Sinatra singt bei diesen Liedern sehr sanft und melancholisch, wie man es aus seinen Schallplattenaufnahmen kennt.

Auch ein Lied für Verliebte war bei Sinatra regelmäßig im Programm, hier war es das Stück „My funny valentine“, das wunderschön durch sanfte Streichersätze untermalt wurde. Nach Sinatras Darbietung möchte man sich wirklich wünschen, dass an jedem Tag Valentinstag wäre, nur um eine solch schöne Musik vernehmen zu können. Dieses herrliche Set endet schließlich mit dem Lied „Glad to be unhappy“ ,welches äußert emotional dargeboten wird.

Gegen Ende des Konzerts kommt der Saloonsongklassiker „One for my baby“. Sinatra spielt den vom Glück verlassenen Mann, der spätabends in die Bar geht und seine traurige Geschichte erzählt. Wenn man die Augen schließt, dann kann man sich diese Szene bildlich vorstellen.Die melancholische Klavierbegleitung von Bill Miller ist grandios und passt ausgezeichnet zu diesem Stück. Es wäre empfehlenswert, dieses Lied und dazu einen Jack Danieles spätabends anzuhören, dann entfaltet dieses Lied seine ganz besondere Wirkung auf den Zuhörer.
Bevor Sinatra „Tender trap“ singt, stellt er seine erstklassigen Begleitmusiker vor, die bei zahlreichen großen Aufnahmen der Popgeschichte mitgespielt haben.

Das Lied „Trender Trap“ ist ein typisches Lied für Junggesellen aus dem gleichnamigen Film mit Debbie Reynolds. Bill Miller spielt ein schöne swingende Klavierbegleitung und Sinatra singt ganz lässig, in der Art eines frisch verliebten Junggesellen. Auch in diesem Stück ist ein brillanter Rollenwechsel von dem davor melancholischem Song „One for my baby“ zu erkennen. Sinatra verfügte zweifelsohne über ein enormes Talent, das sowohl eine große Sanges- als auch Schauspielkunst in sich vereinigte, was nun mal einen großen Star ausmacht. Ein Hauch von „Rock ´n Roll“ - Feeling kommt bei „Hey jealous lover“ auf, vielleicht kein besonders ansprechendes Lied, aber Sinatra gelingt es, auch aus einem solchen Song eine echte Parodie zu formen und damit war dieses Stück unentbehrlich in seinem Konzert, um für die Stimmungserheiterung beim Publikum zu sorgen. Sicherlich war sich Sinatra über die Wirkung seiner Neugestaltung des Songs bewusst.

Vor dem Schlusslied folgt ein absolutes Highlight: „I´ve got you under my skin“, denn kein anderer als Sinatra hat dieses Lied so überzeugend gesungen wie er. Diese Fassung kommt der Studioaufnahme sehr nahe und Sinatra treibt die Band zu Höchstleistungen an. Es ist eine pure Freude, diesen ausgelassenen Swingsong zu hören, der auch für die Endlosschleife gut geeignet wäre.

Am Ende gibt es noch eine kleine „Rarität“ mit dem Lied „ Oh! Look at me now“, denn dieses Lied hat FS nach seiner Tommy Dorsey Zeit relativ selten gesungen. Ein sehr schöner Abschluss, der ein bisschen an die alte Dorsey Zeit erinnert, aber mit einem jetzt gereiften Sänger.

Nun ist die CD zu Ende und man würde sie gerne von Neuem anhören. Dieses Konzert zeigt einen Sänger auf dem Höhepunkt seiner Karriere, selten hat Sinatra so intensiv und leidenschaftlich gesungen wie in diesem Konzert. Der einzige Nachteil an dieser CD ist, dass sie erst 1999 veröffentlicht wurde und somit aktuell schwer erhältlich ist. Aber ein perfektes Live –Konzert wie „Sinatra live 57“ auf CD zu besitzen, stellt ein wirklicher Goldschatz für die eigene Musiksammlung dar und ich kann Euch versprechen, es lohnt sich auf jeden Fall, danach zu suchen.

© Alex Schicke für Sinatra – The Main Event, 2009

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