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Close to You

Close to You
Veröffentlichung: 1957
Label: Capitol
Produzent: Voyle Gilmore

Close to You ist Sinatras 11. Studio-Album aus dem Jahre 1958. Das Album wurde über verschiedene Aufnahme-Sessions über 8 Monate aufgenommen. Die Songs wurden von Nelson Riddle arrangiert.

Auf der CD befinden sich verschiedene Bonus-Tracks, sodass die CD in Close to You and More umbenannt wurde.

Review:

CLOSE TO YOU
Capitol, 1956


„Close To You“ ist durch und durch ein besonderes Album - nicht nur, weil es eines der wenigen aus der Capitol-Zeit ist, auf dessen Cover Frank Sinatra nicht mit einem Hut abgebildet ist. Vielmehr zeigt sich Sinatra den Hörern von einer bisher vollkommen unbekannten Seite: intimer und greifbarer als kaum zuvor.

Kein kompromissloser und begeisternder Swing, wie man ihn von Sinatra bisher gewohnt war. Keine suizidalen Gesänge von unerfüllter Liebe, Verlust und Verzweiflung. Und dennoch ist das Album in einer durchweg lieblichen Atmosphäre gehalten, die einem oftmals vor Verwunderung den Atem stocken lässt. Die Klangfarbe der Lieder und damit auch das Timbre von Sinatras Stimme sind vollkommen ungewohnt, für dieses Album gibt es im Sinatra-Katalog kein vergleichbares Werk.

Das liegt zum einen an der Begleitung durch das „Hollywood String Quartet“, bestehend aus Felix Slatkin, Paul Shure (beide Violine), Alvin Dinkin (Bratsche) und Elenor Slatkin (Cello). Passend zu Sinatras intim-zurückhaltendem, träumerischen Gesang begleiten sie ihn mit ruhigen und sanften Streicheinlagen und kreieren somit einen kammermusikalischen Klang von höchster Intensität. Die Arrangements von Nelson Riddle könnten stimmiger nicht sein und seine Vorliebe für Klassik und vor allem die französischen Impressionisten kommt vollends zu tragen.

Die ausgewählten Lieder handeln – natürlich - von der Liebe; jedoch steckt in vielen von ihnen ein bitter-süßer Unterton oder sie sind gar von einer sarkastischen Resignation geprägt - wie das hervorragende „Everything Happens To Me“. In einer beispielhaften Unschuldigkeit bringt Sinatra den Klassiker „Blame It On My Youth“ und klingt dabei zugleich dermaßen Naiv und Bemitleidenswert, dass es eine wahre Freude ist, ihm zu lauschen. Sinatra ist bei bester Stimme und er klingt, bedingt durch das musikalische Milieu, in dem er singt, so sanft und warm wie nie zuvor. Gerade bei so stechend ehrlichen Songs wie „The End Of A Love Affair“ oder dem süßlichen Liebesgruß „P.S. I Love You“ wünschte man, er würde immerzu weitersingen.

Zu welcher interpretatorischen Meisterleistung Sinatra jedoch im Stande ist, zeigt sich bei dem erst zur CD-Veröffentlichung des Albums hinzugefügten Bonus-Track „There’s A Flaw In My Flue“. Der Legende nach spielte Sinatra den Song nur ein, um zu testen, ob die Verantwortlichen bei Capitol sich wirklich mit seinen Produkten beschäftigten. Sinatra intoniert die brillant verliebt klingenden Textzeilen mit einer solchen Ernsthaftigkeit und einem Höchstmaß an Ehrlichkeit und Emotion, dass man selbst im Nachhinein und bei Textkenntnis keinen Zweifel an Sinatras Glaubwürdigkeit hegen kann. Ohne Zweifel, er saß wirklich vor dem Kaminrohr aus dessen Riss Rauch ausströmt und in seine Nase steigt.

Ein Album für ruhige Stunden, geprägt vom süßlich-melancholischen Klang der Streicher und einem selten intimer erlebten Sinatra.

© Marc Rothballer, Dezember 2006, für Sinatra – The Main Event

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